Fortsetzung von -2
Feminismus vs Antirassismus?
Ich weiß, dass es auch rassistische Feministinnen zumindest einmal gegeben hat. Ist aber jemand, die/der sich gegen das islamische Kopftuch einsetzt, deswegen ein/e Rassist*in?
Wenn kulturelle Vielfalt als „Verharmlosung der religiösen Genderordnung“ verunglimpft wird, dann grenzt das schon an antimuslimischen Rassismus. Eine religiöse Genderordnung hat es hierzulande immer gegeben und diejenigen, die daran Anstoß gefunden haben, konnte man an den Fingern einer Hand abzählen, sie wurde/wird immer hierzulande verharmlost. Auch heute noch kann man im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine Serie mit dem Titel „Um Himmels willen“ schauen und darin verfolgen, wie die Nonnen eines „Klosters Kaltenthal“ (religiöse Sphäre) gegen den örtlichen Bürgermeister (politische Sphäre) mit eigenwilligem Charme in der säkularen Bundesrepublik mit „Frauenpower“ ihr Kloster (also die religiöse Sphäre) schützen. Manchmal verbünden sich Kloster und Bürgermeister sogar gegen äußere Widersacher. Hier fragt niemand, wo denn die Männer im Kloster seien; zum Glück, dann müsste nämlich die kirchliche Genderordnung erklärt werden!
Nun schimpft man auf die religiöse Genderordnung – im Islam! Warum? Der Islam ist, im Gegensatz zum Judentum und Christentum „fremd“, sichtbar und inzwischen zahlreich. Der Islam kommt von Außen, ist sozusagen der „Eindringling“, der wieder hinausgetrieben werden muss. So schießen sich sog. Experten auf das Kopftuch ein. Bei einer Ausweitung der Debatte auf monotheistische Religionen insgesamt müsste die Stellung der Frau in der orthodoxen Riege komplett unter die Lupe geraten. Wer zum Thema „Stellung der Frau in der Religion“ sich nur auf eine Religion fixiert und die anderen ausblendet, handelt rassistisch. Diskriminierende, unterdrückerische und ausbeuterische Strukturen offenzulegen und zu bekämpfen ist etwas völlig anderes als Menschen anderen Glaubens zur Zielscheibe zur erklären.
Prof. Dr. Susanne Schröters (Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam) Bemerkung zur Ausstellung Contemporary Muslim Fashion „Islamische Mode findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern hat einen erheblichen repressiven Anteil, der definitiv mitgedacht werden sollte“ bedient diese enge, einseitige Sicht auf den Islam und die muslimischen Migrant*innen , obwohl der Inhalt so falsch gar nicht ist. Wenn sie dann hinzufügt: „Wenn Menschen aus patriarchischen Kulturen einwandern möchten, sollten sie ihre Konditionierungen überdenken. Wenn sie hier leben wollen, müssen sie sich darauf einlassen, unsere Regeln und Werte zu übernehmen“, verliert sie völlig aus dem Blick, dass 1. auch hierzulande patriarchale Strukturen sich längst nicht überlebt haben; sie sind nur relativ besser als in den Herkunftsländern vieler Migrant*innen und dass 2. eine Oktroyierung von Regeln und Werten von einer Kultur der Kommunikation, der Anerkennung und Zuerkennung der Menschenwürde weit entfernt ist und Ausgrenzung zur Folge haben wird.
Vielleicht dient es dem feministischen Anliegen viel mehr, etwas geschmeidiger in der Kopftuch-Debatte zu denken und zu handeln und die Haltung der pauschalen Verdammung oder Verfemung des Islam und der Muslime- die ich von einer fundierten Islamkritik, im Sinne einer Religionskritik, sehr wohl unterscheiden will! – abzulegen, wenn das Thema Kopftuch wieder einmal in den Medien seine Runde macht. Es gibt sehr wohl eine sehr robuste und im Prinzip klar erkennbare Grenze zwischen Islamkritik und Islamhass, die vielfach ignoriert wird, um Kritiker*innen unfairerweise gleich in das rechte Spektrum einzuordnen. Islamkritik ist nicht rassistisch, Islamhass aber, der sich gleichzeitig als eine Angst vor und Hass gegenüber Muslime äußert, der auch unter dem Namen Islamophobie bekannt ist, ist es allerdings!
Das lässt sich auf prägnante Art folgendermaßen deutlich machen: Solange jemand davon beseelt ist, sein Gegenüber (in diesem Fall einen Muslim oder eine Muslima) zu verstehen und ihrerseits/seinerseits berechtigte emanzipatorische Gründe gegen das Tragen des Kopftuchs vorlegt und bestrebt ist diese zu artikulieren und Kopftuchträgerinnen auch zuhört und ihnen die Möglichkeit gibt, sich selbst darzulegen und versucht die Gründe nachzuvollziehen, zu verstehen (was nicht dazu führen muss, sie zu akzeptieren) und für Erklärungen offen ist und Religionsfreiheit als ein Gebot des demokratischen Zusammenlebens anerkennt, dann ist sie/er kein Rassist*in. Wenn er/sie Kopftuchträgerinnen als sich Mann und Religion unterwerfende bzw. unterdrückte Ewiggestrige abtut, die nichts von der Gleichberechtigung wissen wollen und die westliche Zivilisation ablehnen, ja sie sogar abschaffen und sie durch die Scharia ersetzen wollen, und die Muslime (öffentlich oder privat) als ebensolche plakatiert, ohne sich mit ihnen austauschen zu wollen, der/die ist ein/e angst- und hassgesteuerte/r Rassist*in.
Rassisten haben keinen emanzipatorischen Anspruch. Ich will nun nicht daran glauben, dass die Ethnologin Prof. Dr. Susanne Schröter, die am 08. Mai zu einer Konferenz des Frankfurter Forschungszentrum globaler Islam (FFGI) zum Thema „Das islamische Kopftuch – Symbol der Würde oder der Unterdrückung?“ eingeladen hatte, eine Rassistin sein soll. Seitdem ist sie einer regelrechten Hasskampagne ausgesetzt worden, bis zu Forderungen, sie gehöre wegen ihrer „Hetze“ ins Gefängnis, denn „ihre Seele“ sei „des Teufels“. Studierende verlangten ihre Entlassung. Warum? Weil sie einen Meinungsaustausch zur Sache ermöglichen will. Während sie selbst eine eindeutige Meinung zur Sache hat. Was hier zum Glück kein Grund ist, eingesperrt oder entlassen zu werden. „Freiheit ist immer auch die Freiheit des Andersdenkenden“ hat einmal Rosa Luxemburg gesagt- eine sozusagen „modeste“, bescheidene Anerkennung, dass es auch andere Meinungen gibt, mit denen man/frau sich auseinandersetzen muss. Als Revolutionärin hat sich Rosa Luxemburg in ihrem rhetorischen und praktischen Kampf um gleiche Rechte keineswegs zurückgehalten, wie wir aus der Geschichte wissen. Die Protestierenden müssten sich vergewissern, dass mit „andersdenkend“ nicht nur sie selbst gemeint sind. Sie hätten die Einladung annehmen und mitdiskutieren können. Das haben sie nicht getan, was ihr Protestverhalten nicht unbedingt adelt.
Wer sich als Feminist*in bezeichnet kann die Augen vor dem Rassismus nicht verschließen und muss sich gegebenenfalls in diese Richtung sensibilisieren. Wer Antirassist*in ist, muss auch vor Ungleichbehandlung oder Erniedrigung von Menschen auf Grund ihres Geschlechts oder sexuellen Identität laut werden. Das eine darf das andere nicht ausschließen.
Vielleicht müsste frau diese permanente Konfrontation anlässlich der Kopftuchdebatte als eine Herausforderung zur Grenzüberschreitung auf beiden Seiten verstehen – und zwar in eine übergeordnete Diskurssphäre, die die Muslimin (auch die Jüdin, die Christin) auf keinen Fall ausschließen darf. Der Grund ist einfach: gemeinsame Probleme kann frau nur gemeinsam lösen. Weder muss die Muslima ihr Kopftuch ablegen noch muss Femen sich kleiden, um gemeinsam für Frauenrechte zu kämpfen. Der Rest ist eine Sache des Respekts.
Anders ist der Kampf gegen Sexismus, sexuelle Gewalt, die die Reduzierung der Frau auf ihre Reproduktions- bzw. die Mutterrolle, gegen Abtreibungsgegner, die ungleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit, häusliche Gewalt, Frauenhandel, Prostitution, Pornografie, Homophobie, Genitalverstümmelung (die sog. „Beschneidung“), Ungleichheit in der politischen Vertretung und Machtverteilung etc. etc. etc. nicht zu gewinnen. Frau hat also sehr viel zu tun. Deswegen muss frau so eng zusammenrücken, dass kein Kopftuch mehr dazwischen passt.
Mein Vorschlag: Wir müssen miteinander reden.
Das ist die einzigen Art und Weise aus dieser diskursiven Sackgasse „Kopftuchdebatte“ auszubrechen und gemeinsam neue gesellschaftliche Schneisen in Richtung Gleichberechtigung und Emanzipation zu schlagen.
– Ende –
Schreibe einen Kommentar